Mit einem Schreiben vom 17. November 2016 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg angekündigt, die Berufung des Landkreises Harburg in dem Rechtsstreit über den sog. Planfeststellungsbeschluss (also die „Baugenehmigung“) für den „Ostring“ zurückzuweisen. Damit besteht nun endlich Klarheit, dass der Ostring in der geplanten Form nicht kommt. Gegenstand der Genehmigung von 2009 war eine Mega-Umgehungsstraße von fast sieben Kilometern Länge und mit zahlreichen aufwändigen und sehr kostspieligen Brücken- und Tunnelbauwerken durch Natur und Landschaft östlich um Buchholz herum.
Der Landkreis und die „Hardliner“ unter den Ostring-Befürwortern stehen damit vor einem Scherbenhaufen. Würden sie jetzt einen erneuten Anlauf für dieses völlig überdimensionierte Projekt unternehmen, würde ein neues Genehmigungsverfahren Jahre in Anspruch nehmen – inklusive sich dann ggf. erneut anschließender Gerichtsverfahren vermutlich sogar eher ein Jahrzehnt. Das wäre völlig unrealistisch, zumal dann auch Kosten und Nutzen, einschließlich der zweifelhaften Finanzierbarkeit (bei Kosten von über 30 Mio. €), über sieben Jahre nach der ersten Genehmigung des Vorhabens völlig neu auf den Tisch kommen würden.
Anders als die Ostringverfechter es jetzt darzustellen versuchen, kommt die Niederlage vor dem höchsten niedersächsischen Verwaltungsgericht keineswegs unerwartet. Bekanntlich war der Planfeststellungsbeschluss schon im Jahre 2011 durch die erste Instanz, das Verwaltungsgericht Lüneburg, für rechtswidrig befunden und aufgehoben worden. Diese Entscheidung wird jetzt nur durch das Oberverwaltungsgericht als richtig bestätigt. Der Landkreis mag sich an die Hoffnung geklammert haben, das Blatt im Berufungsverfahren wenden zu können. Dass die Erfolgsaussichten der Aufhebung eines von drei Fachrichtern wohl begründeten erstinstanzlichen Urteils eher unterdurchschnittlich sein würden, musste aber allen Beteiligten klar sein. Aus heiterem Himmel kommt der jetzige Prozessausgang jedenfalls nicht. Insofern mutet es auch als Ignoranz, wenn nicht gar als Überheblichkeit, an, dass der Landkreis in Verkennung seiner Position nicht einmal den Versuch unternommen hat, die vom Verwaltungsgericht Lüneburg vor über fünf Jahren festgestellten Rechtsfehler durch ein erneutes Genehmigungsverfahren zu beheben, sondern stattdessen alles auf die Karte des Berufungsverfahrens gesetzt hat. Sogar das seitens des Oberverwaltungsgerichts ausdrücklich angeregte Mediationsverfahren haben Landkreis und der harte Kern der Ostringbefürworter verweigert. Nicht zuletzt hierfür haben sie jetzt die Quittung erhalten.
Es bewahrheitet sich damit auch – worauf die Buchholzer Liste immer hingewiesen hat -, dass die Entscheidung über diesen „Ostring“ nicht in Buchholz fallen würde, und zwar weder im Stadtrat noch durch einen Bürgerentscheid (der im Übrigen die eigentliche Sachfrage bewusst ausgeblendet hat). Dass beispielsweise die FDP den „Ostring“ zu ihrem Hauptthema im Kommunalwahlkampf 2016 gemacht hat, hat ihr zwar offensichtlich zu einem unverhofften Aufschwung verholfen. Spätestens jetzt wird sie aber sich selbst und ihren Wählerinnen und Wählern eingestehen müssen, dass die Realisierung des „Ostrings“ in der geplanten Form, an der gerade die FDP (neben der CDU) immer mit besonderer Vehemenz festgehalten hat, nicht annähernd in der Hand der Buchholzer Politik liegt. Die gegenteiligen Wahlkampfbekundungen waren letztlich nur eine (Selbst-)Täuschung bzw. der Versuch, aus einer Stimmungslage in Teilen der Bevölkerung (z. B. bei den Anwohnern der „Mühlenwege“) Kapital zu schlagen. Dafür hat die FDP jetzt die Quittung erhalten.
Für Buchholz bedeutet die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, dass endlich der Weg frei ist für einen konstruktiven Dialog aller Beteiligten über sinnvolle Alternativen zu einer Verkehrspolitik der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts, die bloß auf ein einziges, letztlich nicht finanzierbares Großprojekt setzt. Das in der vergangenen Wahlperiode unter maßgeblicher Beteiligung der Buchholzer Liste erarbeitete Mobilitätskonzept 2025 zeigt hierfür zahlreiche alternative Schritte, Maßnahmen und Ansatzpunkte auf – von überschaubaren baulichen Eingriffen ins Straßennetz über Optimierungen im Bestand (Ampelschaltungen, Verkehrsführung, Einrichtung von Kreisverkehren usw.) bis hin zur grundlegenden Aufwertung des Radverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Dies ist auch deshalb der richtige Weg, weil die in bestimmten Stoßzeiten empfundene Überlastung im Straßennetz keineswegs ausschließlich oder in erster Linie auf dem Nord-Süd-Durchfahrtsverkehr beruht (dieser ist ausweislich der letzten Verkehrszählung gegenüber den Annahmen zur Zeit der Ostring-Genehmigung sogar rückläufig), sondern maßgeblich auch mit innerstädtischem Verkehr (sog. Binnenverkehr) zu tun hat. Gemäß Haushaltsbefragung, welche zur Erstellung des Mobilitätskonzepts erfolgte, sind 69% aller KFZ-Fahrten in Buchholz sog. Binnenverkehr mit Beginn und Ende innerhalb von Buchholz. Deshalb sind ja auch viele Punkte im Buchholzer Straßennetz besonders belastet, die vom Nord-Süd-Verkehr gar nicht berührt werden.
Leider wurde die Umsetzung der vielen Vorschläge und Maßnahmen des Mobilitätskonzeptes, die auf eine Verringerung dieses Binnenverkehrs abzielen, bislang gezielt verschleppt und verzögert; offensichtlich in der Annahme, durch den Ostring könnten diese ersetzt und obsolet werden. Vielleicht stand hinter der mangelnden Umsetzungsbereitschaft sogar die Sorge, mit einer ganzheitlichen Verkehrspolitik der vielen Schritte könne der Mega-Umgehungsstraße ihre sachliche Rechtfertigung entzogen werden. Hiermit muss nun endlich Schluss sein! Es bedarf nunmehr einer offenen Zusammenarbeit aller politischen Kräfte zur Erarbeitung einer Verkehrs- und Mobilitätspolitik für Buchholz, die nicht nur den aktuellen Bedürfnissen gerecht wird, sondern die auch den Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte (insbesondere Klimawandel, demografischer Wandel, absehbare Änderungen im Mobilitätsverhalten und in der Fahrzeugtechnik) Rechnung trägt, z. B. durch nachhaltige, moderne Mobilitätskonzepte wie die Förderung des Radverkehrs, des ÖPNVs, der E-Mobilität, die Entwicklung von autofreien Wohnquartieren etc.). Hierfür bietet die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine große Chance. Wir müssen sie nutzen!