Unter dem prätentiösen Titel „Buchholz 2025plus“ haben am 04.11.2017 eine sog. Bürgerwerkstatt und am 25.11.2017 eine sog. Ratswerkstatt stattgefunden. Der Titel der Veranstaltungen suggeriert, dass es um eine ausführliche und ergebnisoffene Diskussion grundlegender Fragen der zukünftigen Entwicklung der Stadt Buchholz i.d.N. gegangen sein könnte, ja ggf. sogar um die Zukunft von Buchholz schlechthin. In Wahrheit handelt es sich nur um einen neuen Anlauf, den gescheiterten „Ostring“ politisch doch noch durchzudrücken.
Das „Verfahren“
In zwei „Werkstatt“ genannten Tagesveranstaltungen nach gleichem Aufbaumuster wurden erst ein paar Dutzend zufällig ausgewählter Bürgerinnen und Bürger nebst einiger Verbandsvertreter, dann die Buchholzer Ratsmitglieder von der Stadtverwaltung systematisch an die Einsicht in die „Notwendigkeit“ der Realisierung des „Ostrings“ herangeführt, und das obwohl dieser ja eigentlich im Dezember 2016 vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg endgültig gescheitert ist.
So wurde in den beiden Veranstaltungen jeweils das Thema „Stadtentwicklung Ost“ vor der Mittagspause in zwei Stunden „abgehandelt“, von denen der überwiegende Teil auf Begrüßungen und einleitende Vorträge von Vertretern der Stadtverwaltung entfiel. Für eine „Diskussion“ des Themas – in Kleingruppen – blieben ca. 70 Minuten, wobei es nach der einleitenden Vorgaben auch nur noch um die Größe der Neubaugebiete gehen durfte. Offensichtlich nach Auffassung der Initiatoren und mancher Beteiligter dennoch Zeit genug, um weitreichende Vorentscheidungen über die Errichtung gleich eines ganzen neuen Stadtviertels von Buchholz mit 1.500 Wohneinheiten zu treffen. Fragen nach der Notwendigkeit einer neuen Großwohnsiedlung, nach alternativen Wohnbauflächen (z.B. bahnhofsnahe „Rütgersfläche“), nach der nicht stattgefundenen Ermittlung der Folgekosten (Schul-/Kindergarteninfrastruktur etc.) und danach, ob und in welchem Maße Buchholz überhaupt wachsen will und soll, blieben ausdrücklich unwillkommen und wurden „wegmoderiert“.
„Planmäßig“ konnte dann in den jeweiligen Nachmittagssitzungen auch die „Notwendigkeit“ eines Straßenneubaus festgestellt werden, der anscheinend zwangsläufig aus der „Ostentwicklung“ folgt. Auch dies in nur ca. zwei Stunden, von denen wiederum ein erheblicher Teil auf Einführungen und dgl. entfiel, so dass für eine Erörterung der verschiedenen Straßenvarianten zwischen den „beteiligten“ Bürgerinnen und Bürgern bzw. Ratsmitgliedern (in Kleingruppen) knapp 90 Minuten blieben. Gelingen konnte dies nur, indem auch hier Fragen der Finanzierung, der Bedarfsrechtfertigung, der zukünftigen verkehrlichen Entwicklung, der Umweltlasten, der Trägerschaft und Realisierbarkeit einer Umgehungsstraße Ost usw. völlig ausgeblendet wurden. Heraus kam – „überraschenderweise“ – die Präferenz für eine Umgehungsstraße, die, bis auf eine „Beule“, auffällig dem vor Gericht gescheiterten „Ostring“ ähnelt.
Wäre es nicht so traurig, müsste man darüber lachen.
Die „Ostbebauung“
Dass Buchholz als Teil der Metropolregion Hamburg wächst, ist keine Frage: An vielen Stellen wurde und wird derzeit auf Grundlage von durch den Rat beschlossenen Bebauungsplänen in erheblichem Umfange Wohnbebauung geschaffen (z.B. an den Standorten Schaftrift, Bremer Straße/Steinbeck, Zivildienstschule/Stadtwald). Darüber hinaus findet an vielen Stellen unserer Stadt eine intensive Nachverdichtung in bestehenden Wohngebieten statt. Umso mehr stellt sich die Frage, ob Buchholz im vorauseilenden Gehorsam ein Großwohngebiet mit 1.500 Wohneinheiten (und entsprechend mehr Menschen: 3.000, 4.000?) an einer einzigen Stelle der Stadt schaffen muss und sollte. Ein scheinbarer Bedarf dafür mag da sein, solange der „Speckgürtel“ den Nachfrageüberhang der Großstadt Hamburg aufsaugt. Die Frage muss aber erlaubt sein, ob ein neues Stadtviertel in dieser Größenordnung eine sinnvolle und zeitgemäße Stadtentwicklung darstellt.
Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der immensen Folgekosten für die soziale Infrastruktur (Schulen, Kindergärten usw.) und für den Ausbau des Straßennetzes. Bekanntlich gelingt es selbst in der aktuellen Phase historisch hoher Steuereinnahmen in Buchholz nicht, die städtischen Ausgaben ohne Kreditaufnahme zu decken, was vor allem mit den ständig steigenden Infrastrukturkosten zusammenhängt. Wenn überhaupt, ist eine Entscheidung über ein derartiges Projekt – und seine sinnvolle Dimensionierung! – nach sorgfältiger Ermittlung der hiermit verbundenen Kosten und Lasten sowie in Abwägung mit den anderen, alternativen Wohnbaustandorten zu treffen, die das Integrierte Stadtentwicklungsprogramm (ISEK) der Stadt Buchholz ja identifiziert hat. Auch darf eine Mega-Bebauung im Osten der Stadt nicht dazu führen, dass die Rütgers-Fläche südlich der Bahngleise dauerhaft eine Brache bleibt.
Über all dies mag man diskutieren. Eine moderate Wohnbauentwicklung in Buchholz halten auch wir als Buchholzer Liste für sinnvoll und vertretbar. Die in der Ratswerkstatt befürwortete Großsiedlung an einem Standort ist nach unserer Auffassung allerdings völlig überzogen.
Offenkundig völlig unseriös ist es in jedem Falle, gleichsam im Vorübergehen, nämlich in einer gut einstündigen „Diskussionsveranstaltung“ (!), einen neuen Stadtteil aus dem Boden stampfen zu wollen – ein Rückfall in alte Buchholzer Zeiten der Stadtplanung nach Gutsherrenart.
Das Schaubild zeigt die Flächen der Wohnungsbauentwicklung im Osten, für die bei der Ratswerkstatt alle Ratsfraktionen mit Ausnahme der Buchholzer Liste votiert haben:
In Wahrheit diente die angeblich notwendige „Ostbebauung“ letztlich aber auch nur als Aufhänger und Rechtfertigung der Ostumfahrung:
Die Ostumfahrung
Was für die „Ostbebauung“ gilt, gilt auch für die Ostumfahrung: Unter enger „Anleitung“ der Stadtverwaltung hat sich anscheinend eine Mehrheit der Ratsmitglieder in einer eineinhalbstündigen Kurzdiskussion auf einen Straßenbau verständigt, der nichts anderes ist als der gescheiterte „Ostring“ in einem leicht abgewandelten Gewand. Eine Diskussion des Bedarfes unter Berücksichtigung jüngerer Verkehrszahlen, der zu erwartenden demographischen Entwicklung und der Auswirkungen des Mühlentunnelneubaus sowie der Forcierung des ÖPNV und des Radverkehrs war nicht vorgesehen. Welche Trasse herauskommen würde, war ebenfalls von vornherein klar; Alternativen wurden kurz abgebügelt.
Das Schaubild zeigt die Trassenvariante, für die bei der Ratswerkstatt alle Ratsfraktionen mit Ausnahme der Buchholzer Liste votiert haben:
Kosten haben auch hier keine Rolle gespielt und verdienten noch nicht einmal der Erwähnung. Bei einer Trassenlänge von sechs bis sieben Kilometern und zahlreichen Kreuzungen sowie mehreren Bahnquerungen mit entsprechenden Brücken- bzw. Tunnelbauwerken ist es für einen Stadtrat allerdings schon eine beachtliche Leistung, zu „Grundsatzbeschlüssen“ zu kommen, ohne an die Kosten überhaupt nur zu denken. Nach unserer Einschätzung wäre eine Umgehungsstraße, wie sie die „Ratswerkstatt“ präferiert, nicht unter 40 bis 50 Mio. Euro zu haben.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Ostumfahrung als Erschließungsstraße der „Oststadt“ zu weiten Teilen von Buchholz allein zu finanzieren wäre. Soweit sie keine Erschließungsstraße ist, hat Buchholz die marode alte Kreisstraße in ihre Baulast (und in ihre Kostenverantwortung) zu übernehmen. Was bedeutet das finanziell für den leeren Stadthaushalt und für die Steuerzahler insgesamt? Eigentlich Themen, die man erst klären müsste, bevor man millionenschwere Vorentscheidungen trifft. Die SPD denkt immerhin hinterher daran und stellt jetzt entsprechende Fragen zu einer Ostumfahrung, die sie in der Ratswerkstatt leider schon befürwortet hat.
Von den ökologischen Kosten und den Auswirkungen auf das Stadt- und Landschaftsbild ist damit noch gar nicht gesprochen: Über mindestens sechs Kilometer werden Natur und Landschaft zerschnitten; Buchholz wird an einer Seite komplett „eingekapselt“. Einer der größten Vorzüge, die Buchholz als so apostrophierte „Stadt im Grünen“ hat, wird leichtfertig verschleudert: Wir verhunzen die Einbettung unserer Heimatstadt in Natur und Landschaft. Dass der Umgehungsstraßenneubau jeglichen Klimaschutzzielen zuwider läuft, ist ohnehin klar.
Wir als Buchholzer Liste lehnen diesen Ausverkauf von Natur und Landschaft ebenso entschieden ab, wie eine planerisch und finanzpolitisch verantwortungslose „Stadtentwicklungspolitik“, die jenseits jeglicher Abwägung von Kosten und Nutzen, möglicher Alternativen (auch in der Dimensionierung) und der Reflektion der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit derartige Großprojekte mal eben aus dem Bauch heraus beschließt. Leider wissen wir dabei im Moment außer den Umwelt- und Verkehrsverbänden NABU, BUND, VCD, Naturfreunde, Greenpeace und ADFC nicht viele politische Mitstreiter auf unserer Seite. Offensichtlich sind nicht wenige Kommunalpolitiker der Taktik, über ein Wohnbaugebiet den „Ostring“ zu reanimieren, auf den Leim gegangen.
Wir glauben allerdings immer noch daran, dass sich dies auch wieder ändern wird. Notfalls werden wir dafür allein die Fahne hochhalten!
- Stellungnahme der Umwelt- und Verkehrsverbände BUND, NABU, Greenpeace, Naturfreunde, VCD und ADFC vom 15.11.2017
- Pressemitteilung der Stadt Buchholz i.d.N. vom 27.11.2017
- Bericht „Meilenstein für Stadtentwicklung“ im Hamburger Abendblatt vom 28.11.2017
- Berichte im Nordheide Wochenblatt vom 29.11.2017 (Teil 1 und Teil 2)
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